Freitag, 3. Februar 2017

Schwerkraft? Wie altmodisch :D ~ Beginen~ Echt Gläubig?

DIE BEGINEN
Eine mittelalterliche Lebensgemeinschaft von Frauen

Wer waren die Beginen?
Die Beginen waren unabhängige, selbstständige Frauen im Mittelalter, die weder heiraten noch in ein Kloster eintreten wollten. Die Beginen-Bewegung entstand im Hochmittelalter aus der Suche nach spirituellen Formen des Lebens außerhalb von Klostermauern. Beginen lebten vorwiegend in den Städten, waren aber auch auf dem Land zu finden. Sie lebten zumeist in den sogenannten Beginenhöfen, eine Begine konnte aber auch alleine, zu zweit oder in ihrer Familie leben. Zu Beginn (ab dem 12.Jhdt) waren es Frauen aus dem Adel und dem städtischen Mittelstand, später schlossen sich Frauen und Mädchen aus allen Schichten der Bewegung an. Jede Frau konnte eine Begine werden.

Anders als katholische Nonnen mussten die Beginen keinerlei Gelübde (lebenslanges Gehorsams- und Keuschheitsgelübde) ablegen und konnten auch jederzeit ohne weitere Angaben von Gründen das Konvent wieder verlassen (was äußerst selten geschah). Auch die Möglichkeit sich zu bilden, dürfte für einige Frauen ebenfalls eine große Rolle gespielt zu haben.

Die Beginen unterstanden keinem Orden, keiner kirchlichen Hierarchie. Sie organisierten ihre Gemeinschaften selbst, wählten die Vorsteherinnen, arbeiteten und legten ihr Geld zusammen.

Ein Leben als Begine ermöglichte Frauen die sozial auferlegten Rollen, Ehe und Mutterschaft, zu verweigern. Es war vielleicht die einzige Möglichkeit, eine Leben in Selbständigkeit und wirtschaftlicher Unabhängigkeit zu führen, somit stellte es für viele Frauen eine reale Alternative zu Ehe und Familie dar.

Das Leben in einem Beginenkonvent

Es gab keine zusammenhängende Organisation oder Struktur, es gab auch keine festen Ordensregeln. Die Beginen wählten für ein bis zwei Jahre eine Vorsteherin, die das gemeinsame Vermögen der Frauen verwaltete und die Gemeinschaft nach außen vertrat. Beschlüsse wurden innerhalb der Gruppen bei regelmäßig stattfindenden Versammlungen gemeinsam getroffen.

Der Beginenorden war kein Bettelorden, im Gegenteil: ihre starken wirtschaftlichen Aktivitäten zielten auf ökonomische Unabhängigkeit ab. So lautete ein wesentlicher Grundsatz der Beginen:

"Eine Jede möge sich durch ihrer eigenen Hände Arbeit ernähren können."

Die Regeln des Zusammenlebens wurden von den Beginen selbst festgelegt.

Typische Regeln waren:.. lies hier weiter. http://www.frauenwissen.at/beginen.php

 

 

 

  • Jede aufgenommene Begine soll zum Lebensunterhalt Rente oder Vermögen besitzen oder eine Kunst verstehen, um sich die Existenzmittel zu erwerben

  • Keine Schwester wird vor dem Morgengebet ohne Genehmigung das Haus verlassen, und ohne Erlaubnis darf vor dieser Zeit kein Mann das Haus betreten oder dort nach dem Abendgebet bleiben.

  • Streit zwischen den Schwestern, die der Vermittlung bedürfen, müssen vor dem Schlafengehen geschlichtet werden

  • Wenn eine Schwester der "Fleischessünde" zwei- oder dreimal von zwei oder drei Mitschwestern überführt wird, soll sie vom Haus ausgeschlossen werden.

Ob es dabei wirklich um die "Sünde" gegangen ist oder nicht viel eher darum, völlig unabhängig von Männern zu leben?

Offenbar hatten die Beginen erkannt, dass die Bezogenheit auf Männer einem authentischen, selbstbestimmten Leben entgegensteht.

Geschichtliche Entwicklung & Verbreitung

Ab dem 12. Jahrhundert schlossen sich immer mehr Frauen im urchristlichen Geist zusammen und zogen - ausgehen von Belgien, sich über das Rheinland, Nord- und Südfrankreich ausbreitend - predigend und bettelnd (was zu jener Zeit keineswegs unehrenhaft war - Ignatius von Loyola zog bettelnd durch die Lande, und es gab etliche Bettelorden) herum. Viele der Frauen waren streng kirchentreu, doch viele wollten eine eigenständige religiöse Lebensform schaffen. Oft waren sie hochgebildet; lesen und schreiben galten als "pfäffisch" und "weibisch". 1216 wurden die Beginen vom Papst als religiöse Laienwohngemeinschaft anerkannt. Sie durften auch ihre Geistlichen und Beichtväter selbst wählen, was die Ortsgeistlichkeit aufbrachte.

Es gab große Konvente mit bis zu 60 Frauen, aber auch kleine mit 5 Frauen. Es gab auch Frauen, die allein lebten, Beginenkleidung trugen und sich der Bewegung zugehörig betrachteten, aber gleichzeitig ihrer normalen Beschäftigung nachgingen (z.B. als Magd). Die meisten Beginen aber bauten, kauften oder mieteten ein Haus, mit eigenem Geld oder Geldern aus Stiftungen adliger Frauen, die die Beginen unterstützten oder selbst beitraten. Es war durchaus üblich, daß Frauen ihr Vermögen anderen Frauen, den Beginen, vermachten. Die Beginen kamen aber aus allen sozialen Schichten, von reich bis arm war alles vertreten.

Die Beginenkonvente finanzierten sich schließlich aus der Arbeit ihrer Mitglieder: Dass die Gründung eines größeren Beginenkonvents auf die Stiftung einer vermögenden Frau zurückging, war keineswegs unüblich. Die Frauen brachten ihre Güter, ihr Vermögen, ihre Aussteuer, ihren Landbesitz, ihre Fähigkeiten und ihre Arbeit in die Konvente ein, sie übten ihre Berufe innerhalb und außerhalb des Konvents aus.

Sie arbeiteten als Hebammen, Lehrerinnen, Seidenweberinnen, Spinnerinnen, Wäscherinnen. In der Tuchmacher- und Wappenstickerei erwarben sie sich mit der Qualität ihrer Arbeit hohes Ansehen und erzielten beträchtliche finanzielle Erfolge. Sie bestellten Gemüsegärten und buken Brot. Auch das Gewerbe des Bierbrauens lag vorwiegend in ihrer Hand. Ebenso unterhielten sie Mädchenschulen.

Die Erlöse flossen in die Gemeinschaft, in die Armenversorgung und Krankenpflege oder wurden in neue Wohn- und Werkstätten investiert. Die vermögenden Konvente verliehen sogar Geld an die Stadträte und sicherten sich damit die Unterstützung der Kommunen. Iim Laufe der Zeit aber wurde nicht nur die Geistlichkeit, sondern auch die Honorationen der Städte ihre Feinde. Und - wegen ihrer gewerblichen Tätigkeit - auch die Zünfte, die diese Konkurrenz nicht brauchen konnten.

Einige Konvente waren so reich, daß sie dem Stadtrat Geld leihen konnten, was ihnen für einige Zeit Schutz und Unterstützung verschaffte, im Laufe der Zeit aber wurde wurde nicht nur die Geistlichkeit, sondern auch die Honorationen der Städte ihre Feinde. Und - wegen ihrer gewerblichen Tätigkeit - die Zünfte, die diese Konkurrenz nicht brauchen konnten.

Es gab unter den Beginen viele hochgebildete Frauen. Bildung war nur für unverheiratete und verwitwete Frauen des Adels und des aufstrebenden gehobenen Bürgertums zugänglich, verheiratete Frauen hatten schließlich für Mann und Haushalt da zu sein. Dennoch gab es Frauen, die Philosophinnen, Literatinnen, Lehrerinnen waren und als solche anerkannt wurden. Intellektuell hochstehend, anerkannt, gelesen und diskutiert, hatten sie mit männlicher Missgunst zu tun und mussten auf ihre Position zur katholischen Kirche achten, denn dieser sollte frau besser nicht unangenehm auffallen.

1233 sind die ersten deutschen Beginen nachgewiesen, und zwar in Köln. 1299 existierten in Köln 88 Beginenkonvente, einige Jahrzehnte später sogar 169. Die Konvente hatten oft die Größe dörflicher Ansiedlungen und beherbergten bis zu 60 Beginen, Das läßt Rückschlüsse darauf zu, welchen Einfluß diese Frauenvereinigungen auf das Kultur-, Gesellschafts- und Wirtschaftsleben einer Stadt hatten. Köln hatte im späten Mittelalter über 30.000 EinwohnerInnen, und war damit nach Paris, Gent und Brügge die viertgrößte Stadt Europas. Beginenkonvente in Köln waren u.a. in Stolkgasse, Komödien- und Marzellenstraße.

Die größten Anwesen gab es in Belgien und Holland, diese waren meist durch eine Mauer oder zusätzlich einen Wassergraben geschützt. Einer der größten und ältesten Beginenhöfe war der in Kortrijk in Belgien mit 136 Frauen, der heute noch besichtigt werden kann. In Belgien gibt es noch einige Beginenhäuser zu besichtigen.

In Wien gab es ebenfalls Beginenhöfe. Das "Pfarrblatt der Dompfarre St. Stephan, Ostern 2005" verrät uns Folgendes: "Manche Frauenklöster in Wien hatten lose religiöse Vereinigungen von Frauen nach Art der Beginen als Vorläufer." Genannt werden ein Zisterziensterinnenkloster bei St. Niklas vor dem Stubentor, das Filialkloster (ab 1272 bis ins 15. Jh.) bei St. Nikolaus in der Singerstraße, das Prämonstratenserinnenkloster bei der Himmelpforte, das Augustinerchorfrauenkloster St. Jakob auf der Hülben und das Dominikanerkloster St. Laurenz am Fleischmarkt.

Die Beginenbewegung verbreitete sich rasch, und dementsprechend ließ die Duldung des Papstes auch rasch nach. Schon 1259 wurde das "auffällige und halsstarrige Wesen der Beginen" (Anke Wolf-Graaf) kritisiert und besonders ihr Auftreten als Predigerinnen scharf verurteilt. Der englische Geschichtsschreiber Mattäus Paris wunderte sich im 13. Jahrhundert darüber, dass sich "die Anzahl gewisser Frauen, die das Volk ´Beginen´ nennt … zu Tausenden und Abertausenden in unglaublicher Weise mehrte."

Anfang des 14. Jahrhunderts wurde ihnen Verbreitung von Irrlehren vorgeworfen, sie galten als Ketzerinnenbewegung. Sie lebten nach ihren eigenen Regeln und lehnten jede von der Kirche sanktionierte Ordensregel ab. Insbesondere lehnten sie es ab, auf irgendeine Regel verpflichtet zu werden. Angeblich stellten sie sogar das Ansuchen an den Papst, sich gegenseitig die Beichte abzunehmen, was selbstverständlich (!) abgelehnt wurde.

Sie erhoben nachweislich den Anspruch, in theologischen Fragen mitzureden - was für den Papst und die Mehrheit der Bischöfe (einige wenige galten als ihre Förderer) eine unglaubliche Anmaßung und Respektlosigkeit war. Die Beginen verfassten die meisten ihrer religiösen und theologischen Schriften in der Volkssprache - wieder ein Stein des Anstoßes für die Kirche, denn so wurden viele Menschen erreicht, die die offizielle Kirchensprache Latein nicht beherrschten.

Da sie keiner religiösen Obrigkeit unterstanden, konnten sie - im Gegensatz zu Nonnen - lehren und unterlagen keiner Gehorsamspflicht.

Sie galten als sexuell zügellos, ihnen wurden Orgien nachgesagt. Sicherlich war das Propaganda, doch muss damals noch von etlichen Frauen ein freierer Lebensstil gepflegt worden sein, als von der Kirche geduldet und später auch durchgesetzt wurde. Denn über mehrere Jahrhunderte hinweg klagen Priester in Visitationsberichten über die haarsträubenden Zustände in Nonnenklöstern (z.B. mahnte 1301 der Passauer Bischof Wernhard den Probst des Stiftes Klosterneuburg, der ihm unterstellte Frauenkonvent St.Jakob in Wien möge von der Regel des Hl.Augustinus nicht abweichen - ein Hinweis darauf, dass die Ordensregel bei St.Jakob noch nicht sehr lange bestand), über Liebschaften der Nonnen untereinander, mit dem Beichtvater, über Kinder der Nonnen, die im Kloster aufwuchsen; teilweise hieß es, sie würden ein Bordell führen (was immer das für die Priester und Mönche bedeutet haben mag).

Die Frauengemeinschaften wurden im Laufe der Jahrhunderte immer mehr unter die päpstliche Knute gezwungen. Die Amtskirche versuchte zunehmend, Kontrolle über die Beginen zu bekommen, wobei sie auch in den Verdacht kamen, ketzerisches Gedankengut zu verbreiten. 1311 entzog Papst Clemens V. entzog den Beginen auf dem Vienner Konzil 1311 die Anerkennung des laienreligiösen Standes.

Vorerst blieb diese Aberkennung aber ohne Wirkung für das alltägliche Leben, und Mitte des 15. Jahrhunderts stellte Papst Eugen IV. die "rechtgläubigen" Beginen wieder unter den Schutz der katholischen Kirche - doch die Anerkennung der Beginen als laienreligiöser Stand war umstritten und das Recht auf ökonomische und religiöse Unabhängigkeit mussten sie sich immer wieder erstreiten.

Dennoch existierten die Beginenkonvente in alter Weise weiter - und zwar über vier Jahrhunderte. Allerdings wurden überall die Dominikaner als Inquisitoren eingesetzt (die später auch die systematische Verfolgung und Ermordung hunderttausender, wenn nicht Millionen Frauen als » Hexen betrieben). Es ist davon auszugehen, dass im 14. und 15. Jahrhundert auch viele Beginen als Hexen verbrannt wurden, doch gibt es darüber keine Quellen.

Ein Problem war auch die sexuelle Gewalt, die von den Frauen auch thematisiert wurde. Immer wieder mussten sich die Beginen (vor allem diejenigen, die nicht in gemeinsamen Häusern lebten, sondern frei herumzogen) gegen sexuelle Belästigungen sowohl weltlicher als auch geistlicher Männer schützen. Siehe dazu auch das Lied der Begine Anna von Köln.

So ist z.b. überliefert, dass Beginen aus Osnabrück und Paderborn sich immer wieder darüber beklagten, dass sie von Geistlichen und Laien zur "Unzucht" angehalten und vielfach belästigt wurden. So mancher Papst versuchte durch sogenannte "Schutzbriefe" die Beginen davor zu schützen - wie wenig wirksam solche Schutzbriefe waren, zeigen die zahlreichen kurzfristigen Erneuerungen.

So wurde z.B. der Kölner Kardinallegat von den Kölner Beginen 1251 gebeten, den päpstlichen Schutzbrief von 1250 zu bestätigen, und zwar deshalb, weil "die, welche nicht durch Klostermauern oder durch eine Regel geschützt seien, sondern gleichsam mitten im Meere den Gefahren der Welt ausgesetzt wären...ganz besonderen Schutzes bedürften" (zitiert nach Helga Unger).

Verfolgung & Niedergang

Dem erstarkenden Christentum und den Stadtherren waren die zunehmende religiöse Selbstständigkeit ein Dorn im Auge. Da die Beginen auf eigene Rechnung, d.h. zunftunabhängig produzierten, und somit eine ernsthafte wirtschaftliche Konkurrenz für die Zünfte darstellten, begann sich auch bei den Zünften Unmut zu regen.

Die religiöse Begeisterung der Beginen und ihre Unabhängigkeit von männlicher Bevormundung erregten immer wieder das Misstrauen der kirchlichen Obrigkeit, des Rates und der Zünfte. Papst Pius V. erließ 1566 eine Verfügung, die den Zusammenschluss von Frauen zu einem Orden neu regelte. Er wünschte, dass alle Frauen den Nonnenschleier nähmen und sich festen Regeln unterwürfen.

Da aber Nonnen keine theologischen Inhalte mehr lehren oder diskutieren durften (Frauen generell war zu dieser Zeit der Zutritt von Universitäten untersagt), lieferte dieses Verbot den Vorwand, den "Orden" (der ja keiner war) zu verbieten und ihr Vermögen zu beschlagnahmen. Dem Konzil von Vienne diente es als Ausrede, die lehrenden Beginen, ihres Landes und ihrer Häuser zu berauben: "Es ist uns berichtet worden, daß bestimmte Frauen, gemeinhin Beginen genannt, von einer Art Wahnsinn befallen, die Heilige Trinität disputieren und das göttliche Wesen, und Meinungen über Dinge des Glaubens und die Sakramente vertreten. ...Da diese Frauen niemanden irgendeinen Gehorsam versprechen und nicht auf ihren Besitz verzichten oder sich zu einer genehmigten (Ordens-)Regel verpflichten, ...haben wir beschlossen und mit der Zustimmung des Konzils erklärt, daß ihre Art zu leben für immer verboten ist, und daß sie alle zusammen aus der Kirche Gottes aufgeschlossen sind."

Die Zahl der Konvente und der Beginen war erheblich zurückgegangen, die vorhandenen waren aber noch immer ein bedeutender wirtschaftlicher Faktor in den Städten. Nachdem nun die Inquisition Ruhe gab, meldeten sich die Zünfte, es kam zu ersten Krisen, die Beginen wurden überall zurückgedrängt. Teilweise erfuhren sie Unterstützung von den Frauen ihrer Stadt; so gibt es die Geschichte, daß eine Schule der Beginen vom Stadtrat geschlossen wurde, die Frauen ihre Kinder aber nicht in die Klosterschule schicken wollten, weil sie dort häufig geschlagen wurden; sie gaben also die Kinder offiziell als Dienstboten zu den Beginen, die sie in Wahrheit aber unterrichteten.

Die Reformation des 16. Jahrhunderts führte zur endgültigen Auflösung der Beginenkultur. Nach der Reformation wurden die meisten Beginenkonvente aufgelöst. Die Ansichten Luthers, dass Frauen ausschließlich zu Hausfrauen und Müttern geschaffen seien, griffen immer weiter um sich. Alleinstehende Frauen, und solche, die mit anderen in Gemeinschaften lebten, sanken immer mehr im öffentlichen Ansehen.

Gemeinsam mit den Nonnen wurden auch die Beginen zwangsweise aufgelöst. Einige Konvente in Deutschland retteten sich durch Umwandlung in Klöster, wodurch sie sich aber der Kontrolle der Kirche unterstellten und auch dem Predigt- und Lehrverbot von Nonnen unterlagen. Nur Belgien machte eine Ausnahme, hier existierten Beginenhöfe, wenngleich nicht mehr in der früheren Form, sondern Nonnenklöstern vergleichbar. In Holland hingegen wurde das Zusammenleben alleinstehender katholischer Frauen generell verboten (die Machthaber müssen sehr große Angst vor der Macht zusammenlebender Frauen gehabt haben!). Ihre Besitzungen wurden eingezogen, ihre Konvente zerstört oder niedergebrannt; oft wurde den Frauen das schützende Eingangstor ausgehängt, wodurch sie praktisch vogelfrei wurden.

Aber noch bis weit in die Neuzeit hinein existierten mancherorts Beginen, z.B. in Belgien, wo einige Konvente - wie etwa der Beginenhof von Kortrijk - erhalten blieben. Hier lebte bis 1981 die letzte europäische Begine. Im Dezember 1999 ernannte die UNESCO 12 Beginenhöfe in Flandern zum schützenswerten Weltkulturerbe.

Es gibt heute wieder Frauen, die an die alte Beginentradition anknüpfen: In den letzten Jahren ist der Gedanke der Beginenbewegung wieder aufgelebt, in Deutschland wurden Beginenhöfe und -häuser gegründet.

Bekannte Beginen

Marguerite de Porété

Eine der hochgebildeten, angesehenen Frauen, die sich dezidiert selbst als Begine bezeichnete, war Marguerite (Margarete) de Porété (auch Porète, Poirette), eine französische Mystikerin und Philosophin, die zwischen 1250 und 1260 im Hennegau geboren und 1310 in Paris getötet wurde. Es war die Zeit der Kreuzzüge und der Zerschlagung der Templer, die Zerstörungszüge gegen die Katharer und die Albigenser lagen erst wenige Jahrzehnte zurück, die Religion wurde von Mönchsorden getragen und verbreitet. Die Zwangsmissionierung Europas lag noch nicht so lange zurück und hatte nur die höheren Schichten erreicht, im Volk aber, und gerade auch im Denken von Mystikerinnen, lebten noch ältere Glaubensvorstellungen weiter.

Über Marguerites Herkunft und ihr Privatleben ist nicht mehr bekannt, als dass sie aus einer Patrizierfamilie stammte, in erster Linie im Nordosten Frankreichs lebte und sich der Beginenbewegung angeschlossen hatte. Sie definierte sich selbst als Begine und gilt als die Denkerin der Beginen. Sie war theologisch hochgebildet, kannte offenbar die gesamte Literatur ihrer Zeit, war als Übersetzerin tätig; sie übersetzte auch die Bibel selbst und interpretierte sie anders.

Marguerite de Porété schrieb den religiösen Text "Spiegel der armen Seele" oder "Spiegel der einfachen Seelen". Wobei beide Übersetzungen unzureichend sind, denn im Original heißt es "simple" = eins, ganz. Sie verwendete die im Mittelalter beliebte literarische Form eines erdichteten Streitgesprächs. Das Buch ist ein auf Sprechrollen verteiltes Lehrbuch der Liebesmystik, das den Weg der Seele über sieben Stufen zur Vollkommenheit beschreibt; es besteht aus 139 Kapiteln, die in sich geschlossene Abhandlungen über bestimmte geistliche Fragen sind. Hauptpersonen sind die Seele und die personifizierte Liebe in der Auseinandersetzung mit der personifizierten Vernunft, weitere Personen sind die Fassungskraft der Vernunft, die Unterscheidungsgabe, das Verlangen, die Furcht, die Verdutztheit, die Vornehmheit, die Wahrheit, das Licht des Glaubens, die Kirche, Gott und der Heilige Geist. Das Buch wurde über 700 Jahre praktisch durchgehend publiziert, und das auch schon 200 Jahre vor Erfindung des Buchdrucks, und in über 20 Sprachen übersetzt. Es beeinflusste auch verschiedene MystikerInnen, wie Meister Eckhart, Therese von Avila, Johannes vom Kreuz.

Nach Marguerites Vorstellung verschmelzen die menschliche Seele und Gott zu einer Einheit, was von der menschlichen wie von der göttlichen Seite her ersehnt werde. "Die befreite Seele trachtet nicht nach Gott, weder durch Buße noch durch irgendein Sakrament der Heiligen Kirche, noch durch Gedanken, Worte und Werke..." Die Vollkommenheit in der Vereinigung der Seele mit Gott beschrieb sie als eine den Tugenden enthobene Freiheit.

Es war vor allem diese VorsteIlung einer ganz von Liebe durchdrungenen Freiheit, die von den kirchlichen Behörden als Unmoral (miss)verstanden wurde. Es folgten mehrere Verfahren wegen Häresie und Ketzerei, es folgten Kerkerhaft und Inquisitionsgericht.

Marguerite wurde trotzdem immer noch als Christin und als christliche Lehrerin gehandelt, die nur "Abweichungen" hatte. Immer wieder wurde das Buch abgeschrieben und verbreitet, sie hatte Auftritte und las daraus vor. Vor 1300 holte sie mehrere Gutachten von Bischöfen und anderen hohen kirchlichen Würdenträgern ein, die bestätigten, daß es im Sinn der Exegese der Bibel korrekt sei, wenn sie schrieb, dass Gott eine Frau sei bzw. daß die Bibel so gelesen werden könne. Diese Vorsicht nützte jedoch auf Dauer nichts.

Der Papst erließ eine Bannbulle gegen den "Spiegel". Vor oder nach 1300, das ist unklar, kam es zum ersten Inquisitionsprozess; öffentliche Verbrennung und Verbot des Buches folgten. Marguerites Werke wurden aus den Klöstern gerissen und als "Werk des Teufels" verbrannt. 1304 gab es einen Streit der Bischöfe, ob sie eine Ketzerin sei und "aus der Kirche eine Frauenkirche machen will" - was sie aber im Gegensatz zu Wilhelmina von Böhmen nie explizit geschrieben hat. Manche bezeichneten sie aber auch jetzt noch als Philosophin und christliche Lehrerin.

1306 kam es zu einem erneuten Inquisitionsprozess, sie wurde exkommuniziert und saß in Kerkerhaft in Paris. 1309 wurden 15 Artikel des "Spiegel" durch eine einundzwanzigköpfige Pariser Theologenkommission verurteilt. Marguerite wurde verurteilt und 1310 als Ketzerin verbrannt. Ausschlaggebend für die Verurteilung war vermutlich die Hartnäckigkeit, mit der sie ihre Ansichten vertrat, ihre Weigerung, in der Befragung Rede und Antwort zu stehen wie auch die rasche Verbreitung des "Spiegel" im Volk.

Angeblich soll sie am Weg zum Scheiterhaufen widerrufen haben, doch nun war es zu spät. Sie wurde bis heute nicht rehabilitiert.
Dies geschah einer Frau, die vor siebenhundert Jahren folgendes sagte: "Dassjedes vernünftige Wesen in sich von Natur aus glücklich ist, daß der Mensch in diesem Leben zu einer endgültigen Glückseligkeit finden kann".

Mechthild von Magdeburg
Bekannt ist auch Mechthild von Magdeburg, die um 1207/1210 geboren wurde und mit 12 Jahren nach eigenen Angaben vom heiligen Geist angesprochen wurde. Bald nach ihrer Geburt verdammte das Laterankonzil jede Abweichung vom Glaubensbekenntnis, dennoch wurden die Beginen Anfang des 13. Jahrhunderts als "religiöse Frauen" bezeichnet. Zeitgleich lebte Thomas von Aquin, dessen Lehre die Basis für den Hexenhammer bildete. Zu der Zeit, da Mechthild ihr Elternhaus verließ, beschloß Papst Gregor IX die Inquisitionsgerichte und befaßte sich mit Beginen, Begarden und verschiedenen HäretikerInnen.

Auf ausdrücklichen Rat ihres Freundes und Beichtvaters schreibt Mechthild ihre Visionen als "Offenbarungszeugnis" nieder; d.h., sie hatte bereits zum Zeitpunkt des Niederschreibens selbst eine gewisse Zensur ausgeübt, um nicht in den Fängen der Inquisition zu landen. Und dies war auch klug, denn Mitte des 13. Jahrhunderts wurde Folter ein legitimes Mittel der Inquisition gegen HäretikerInnen, und Papst Alexander IV legt fest, daß sich die Inquisitoren vor allem mit der Hellseherei, Wahrsagerei und mit Frauen von besonderen Kenntnissen der Heil- und Kräuterkunde befassen sollen.

Mechthild lebte lange Zeit auf dem Beginenhof zu Magdeburg, der aber immer häufiger der kirchlichen Obrigkeit auffiel und schließlich den Dominikanern unterstellt wird. Mechthild musste in ein Kloster und wählte das Kloster Helfta, wo auch andere Frauen, Mechthild von Hackeborn und Gertrud die Grosse, führende Frauen der christlichen Mystik, wirkten.

Unter dem Titel "Das fließende Licht der Gottheit" werden ihre Berichte herausgebracht. Mechthild von Magdeburg formulierte, dass es keinem Mann gestattet sein kann, sich über die Frau zu stellen, dass niemand Gott als Mann darstellen darf, dass das Gottesbild von Männern erdacht und als Machtmittel eingesetzt worden war.

Wenn Mechthild Gott als Kugel und Kreis darstellte und als das "große Gefäß" bezeichnete, verwendete sie, ohne es zu wissen, uralte weiblich-matriarchale Göttinnenbilder. Mechthild von Magdeburg wagte es, die Bibel neu zu deuten, Gott als auch weiblich zu benennen - und das war wirklich ein Wagnis. Leider sind nur von einem einzigen Werk von ihr Abschriften erhalten, wir haben also kaum gesicherte Angaben über sie und ihr Werk.

Anna von Köln
Eine der Kölner Beginen war die als Anna von Köln bekannte Frau, die um 1500 - also schon in der Spätphase der Beginenbewegung - "Mutter" eines solchen Konvents war. Sie hatte den reibungslosen Ablauf der Arbeiten zu überwachen, die finanziellen Angelegenheiten zu regeln, für das harmonische Zusammenleben der Frauen und die Aufrechterhaltung der Statuten zu sorgen.

Dazu gehörte auch, daß Männern nur in dringenden Fällen Einlass gewährt wurde; zum einen, um sich vor Belästigungen oder wütenden Ehemännnern oder Liebhabern, und zum anderen, um sich und die Mitschwestern vor den Belästigungen durch die örtlichen Pfarrgeistlichkeit zu schützen.

Anna von Köln stellte ein - heute nach ihr benanntes - Liederbuch zusammen. Die Lieder wurden vermutlich in der hauseigenen Kapelle und im großen Aufenthaltsraum gesungen; zumindest weisen viele Lieder Kehrreime auf und zum Einstimmen bestimmte Anfangstöne - dies verweist nach Eva Weissweiler auf Chorpraxis.

Ihr Liederbuch enthält 82 geistliche Melodien, von denen 80 als Schöpfungen von Beginen angesehen werden (die restlichen 2 sind von Martin Luther und Thomas von Kempen).

Ein Lied, zu Ehren der Jungfrau Maria: "Ohne Mann
Du Blütenzweig
Von wunderbarer Art."

Klingt da nicht die Annahme einer tatsächlich jungfräulichen - im Sinne von Parthenogenese - Geburt durch? Vom Heiligen Geist hören wir hier jedenfalls nichts!

Interessant ist auch folgendes Lied:

"Gelaissen had eyn sustergyn
Und sy gink in ihr kemmergyn.
Jesus quam zo ir gegaen
Und wolt ein kosen myt ihr han.
Nu ganck, her Jesus, nu ganck!
Ick han gelaissen und ich bin kranck!"
(zitiert nach Eva Weissweiler)

Frei übersetzt: Eine kranke Schwester geht in ihre Kammer, Jesus kommt zu ihr und will mit ihr kosen, woraus sie ihn mit diesen Worten fortschickt:"Geh weg, Herr Jesus, geh weg, ich bin krank!"

In weiterer Folge dieses Liedes soll sich herausstellen, daß die Schwester die "kranke Seele" sei, die bei Jesus Trost findet - warum er davor sie bedrängen muss, sodass sie sich gegen seine (sexuellen!) Zudringlichkeiten wehren muss, wird nicht erklärt, und ich glaube es auch nicht. Hier geht es ganz eindeutig um sexuelle Gewalt - hier von seiten der Pfarrer und Priester.

Nonnen im Mittelalter

Auch das Klosterleben war keine so deprimierende Angelegenheit, wie wir oft glauben. Natürlich wurde viel gebetet und hart gearbeitet, aber zumindest letzteres war auch im zivilen Leben der Fall, und zumindest war die Lebenserwartung einer Nonne höher als die einer Ehefrau, die häufig schwanger war.

Klarerweise hat es alle Abstufungen gegeben, und zweifellos hat es auch harte, brutale, ungerechte Äbtissinnen und Gewalt Nonnen gegenüber gegeben. Doch das Klosterleben bot viele Vorteile: Frauen konnten einer aufgezwungenen Ehe entgehen, einem tyrannischen Ehemann entfliehen, hatten gute Kontakte zur Außenwelt und allen Visitationsberichten zufolge kam das Sexualleben auch nicht zu kurz.

So wird z.B. berichtet, dass nach dem Tod einer Nonne die Aussage ihrer "lieben Heimlichen" über ihre Vererbungswünsche rechtswirksam war. Nonnen betrieben Apotheken und unterrichteten Mädchen, sie betrieben theologische und wissenschaftliche Studien, erforschten, beschrieben (und wendeten wohl an) Heilmethoden, verfaßten literarische Arbeiten, waren bekannte Illustratorinnen und Miniaturmalerinnen.

Bekannt wurde Hildegard von Bingen (1098 bis 1179), die mit ihren Schriften zur Heilkunde und zur Mystik ebenso großes Ansehen gewann wie als Beraterin von Königen und als Wirtschaftsberaterin von Klöstern und Gutshöfen. Herrade von Landsperg im 12. Jahrhundert verfasste eine Enzyklopädie, Gisela von Kerssenbrock war im 12. Jahrhundert eine bekannte Buchmalerin.

Es gab übrigens mehrere Frauen, die religiös/spirituell ihre eigenen Ideen (oder vielleicht: ältere Ideen, die sie ins Christentum übernahmen) vertraten und auch zahlreiche Anhängerinnen und Anhänger fanden, beispielsweise Wilhelmine von Böhmen, die im 13. Jahrhundert eine Frauenkirche mit weiblicher Hierarchie anstrebte und von den Zisterziensern jahrelang als Heilige verehrt wurde, und Paola Antonia Negri im 16. Jahrhundert, die von ihren AnhängerInnen als "göttliche Meisterin" angesehen wurde, entschied ob Priester die Messe lesen durften und durch Fußfall verehrt wurde.

Fazit

Frauenleben im Mittelalter konnte wesentlich vielfältiger und aufregender sein, als uns heute bekannt ist!

 

 

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